Die landsberger bühne liefert einen stimmigen Auftakt der Theatersaison
VON ALEXANDRA LUTZENBERGER
Die landsberger bühne zeigt in der Premiere mit dem Stück „Nathan der Weise“ zum 60.Jubiläum ihre Stärken. Ein großartiges Team fesselt mit unglaublicher Spielpräsenz.
Die landsberger bühne ist in ihrer 60-jährigen Geschichte für viele Überraschungen gut gewesen. Und zum diesjährigen Jubiläum überzeugt sie in vielerlei Hinsicht. Mit einem geheimnisvollen und neugierig machenden Plakat (und Flyer),einem ausgeklügelten und schlichten,intelligenten Bühnenbild,das die berühmte Ringparabel im Stück „Nathan der Weise“ ein wenig wie im „Herr der Ringe“ ins Zentrum setzt. Das Bühnenbild stammt vom Regisseur, der nicht nur die Rollen hervorragend typgerecht besetzt hat, sondern auch den wundervollen Sprachwitz des Autors mit den passenden Schauspielern inszeniert. Er nimmt damit ein Stück in den Fokus,das aufgrund der Konflikte in aller Welt (auch und gerade in Israel und Palästina) nicht aktueller sein könnte. Regie bei Gotthold Ephraim Lessings Stück „Nathan der Weise“ führt loan C. Toma, der schon oft Gastregisseur der Bühne war. Und das sehr erfolgreich.
Wer kennt die Geschichte nicht aus der Schule? Die berühmte Ringparabel mit der Lessing damals schon deutlich machte, dass es nicht darum geht, welche die richtige Religion ist, sondern nur,dass man in allen Religionen mit Vernunft und Liebe nach dem Guten streben sollte. Es ist egal,ob man Christ, Moslem oder Jude ist,es geht nur darum,ob man ein guter Mensch ist. Es geht um Harmonie,Akzeptanz und Toleranz. Der Charakter zählt und nicht die Religion. Der Klosterbruder (Florian Werner) erkennt dies, und doch bestätigt er dem Juden Nathan (Harald Dollinger) das höchste Lob von seiner Seite,denn Nathan ist für ihn „ein wahrl ich guter Christ“. Eine interessante Schlüsselszene,denn bei Lessing hat jedes Wort eine große Bedeutung,es ist einzigartig,man hört genau zu, ist einfach nur fasziniert.
Die Inszenierung „Nathan der Weise“ hat große Stärken
Die Inszenierung hat große Stärken und überzeugt mit Schauspielern,die nicht nur textsicher sind, nein,sie leben die Sprache Lessings und das ist ein großes Erlebnis beim Zuhören, denn das Stück enthält lange Monologe und Dialoge,die fesseln. Es ist keine Prosa,sondern ein besonderer Blankvers, der sich nicht reimt, aber oft von einer Person auf die andere übergeht. Dieses Zusammenspiel ist die große Stärke des Stücks.
Im ersten Teil muss man sich als Zuschauer oder Zuschauerin sehr konzentrieren, manches ist ein wenig leise, manches ein wenig zu lang. Es ist anstrengend,doch danach überzeugt das Spiel um die wahre Religion im Jerusalem um 1192 mit den Darstellern der landsberger bühne in jeder Hinsicht. Viele Zuschauer loben nach der Premiere im Landsberger Stadttheater die große Textsicherheit der Darsteller und die enorme Leistung,sich diesen Text merken zu können. Und das ist wahrlich beeindruckend
Doch noch viel fesselnder ist, wie Thoma es geschafft hat, die Laiendarsteller wie Profis agieren zu lassen. Fast scheint es als ob sie nicht spielen, sondern echte Charaktere erschaffen. Es macht wirklich Spaß zuzuschauen,wie Harald Dollinger (sonst in Rollen dominant und laut) in die Rolle des eher zurückhaltenden und doch alle leitenden Nathan schlüpft. Dollinger nimmt sein Spiel zurück und ist dadurch umso ausdrucksvoller. Er ist unglaublich textsicher und alle hören zu. überhaupt hört man in dieser Vorstellung kaum ein Husten oder Rascheln aus dem Zuschauerraum ,so gefesselt sind alle.
Götz Hofmann muss sich als Patriarch von Jerusalem überhaupt nicht zurücknehmen, er darf böse und theatral isch sein und spielt dies auch völlig aus. Er wird ganz in Rot auf einem Wagen auf die Bühne geschoben und vom ersten Moment an wirkt dies wenig christlich, sondern eher diabolisch. Hofmann spielt dies mit teuflischem Grinsen und breiten Gesten,die sofort klarmachen,wen man hier vor sich hat.
Keinen guten Menschen,sondern einen Christen, der sich nur so nennt und dem es nur um Macht geht. Regisseur Thoma fügt immer wieder aktuelle Themen ein. Wie in dieser Szene den Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche. In der Ringparabel kommt die Frage,wie viele 1000 Jahre es wohl noch dauert, bis man aufhört, sich um die wahre Religion nur zu streiten, und sie einfach lebt
Theaterleiter Florian Werner hat die Rolle des Klosterbruders im Stück übernommen und seine Auftritte sind immer wieder kleine komödiantische Höhepunkte. Denn dem Patriarchen muss er zwar dienen, aber trotz seiner Angst,seiner Unruhe und obwohl er eigentlich nur seine Ruhe möchte,trägt er maßgeblich dazu bei,dass sich alles zum Guten wendet. Und auch wenn Werner sich mal verspricht, ist er schlagfertig und hat die Lacher auf seiner Seite.
Jede Rolle im Stück ist passend besetzt
Toma hat jede Rolle gut besetzt, ob nun den Tempelherren (Jonas Echterbruch), Miriam Lichtenstern als Nathans Tochter Recha und den Derwisch (Thomas Bauer). Rechas Erzieherin Daja (Claudia Dlugosch) ist eine überzeugte Christin,die Nathan sehr schätzt,ihn aber trotzdem,um das Mädchen fürs Christentum zu retten,verraten würde. Zumindest stellt sie ihre Religion über alles andere. Eine vielschichtige Rolle, die Dlugosch gut anlegt. 30 •• ·
Interessant ist auch die Paarung Sultan Saladin (Matthias Bartels) und Sittah (Diedke Moser) als seine Schwester. Denn hier scheinen von Anbeginn an, die Rollen ein wenig vertauscht. Sittah ist bestimmend und klug,Saladin eher nachdenklich. Er lässt sich von Nathan – egal, welche Religion er hat – überzeugen.
Immer wieder taucht ein Mann mit der Geige (Wolfgang Moser) auf und begleitet das Stück eine Weile. Eine schöne Ergänzung.
Die Premiere am Freitag ist ausverkauft und die Zuschauer sehr zufrieden. Die landsberger bühne kann es auch sein. Eine wirklich passender und sehr stimmiger Auftakt der neuen Theatersaison in Landsberg.
Weitere Vorstellungen im Stadttheater sind am 14., 19., 20., 21., 26. und 27. Januar.
Kartenvorverkauf beim Ticketservice Landsberg im Reisebüro Vive//. Restkarten gibt es an der Abendkasse im Stadttheater.
Zum 60-jährigen Bestehen bringt die landsberger bühne „Nathan der Weise“ auf die Bühne. Zwar spielt das Stück im Jahr 1192.
Jedoch hat es nichts von seiner Aktua lität verloren. Unsere Redaktion durfte eine der Proben im Stadttheater besuchen.
„Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing, uraufgeführt 1783, ist ein Klassiker der Aufklärung und klassische Schullektüre.
Verboten in der Zeit der Naziherrschaft, wurde das Stück nach dem zweiten Weltkrieg häufig auf die Bühnen gebracht – und nun auch ins Landsberger Stadttheater durch die landsberger bühne unter der Regie von loan C. Toma.
Für den in Kronstadt in Siebenbürgen geborenen und im Fuchstal lebenden Regisseur ist es nicht die erste Zusammenarbeit mit der landsberger bühne, die heuer ihr 60-jähriges Bestehen feiert. Auch bei „Mandragola“ von Machiavelli,„Der widerspenstigen Zähmung“ von Shakespeare und die Revue „Nur wega dir“ zum 40-jährig Bestehen des Vereins führte er Regie.
An acht Terminen wird im Landsberger Stadttheater gespielt
Ausgesucht hatte „Nathan der Weise“ die landsberger bühne, fragte jedoch Toma nach seiner Meinung dazu. „Ich war sofort dafür,dass das Stück aufgeführt wird“,sagt Toma beim Besuch unserer Redaktion bei einer der Proben im Stadttheater. Bereits früher habe er sich mit dem Stück beschäftigt, es bislang aber nicht aufgeführt. Jetzt jedoch,kurz nach seinem 70. Geburtstag, ist es so weit:
Fotos: Christian Rudnik
Mit dem Fortschritt bei den Proben zeigte sich der Regisseur sehr zufrieden: „Es macht mir Spaß zu sehen, wie die Figuren ihren Charakter entwickeln und den Lessingschen Witz versprühen.“ Dieser ist auch bitter nötig in dem Stück, das der Menschheit, gerade auch mit Blick auf die Geschehnisse in Israel und Palästina,scharf vor Augen führt, dass sie sich einmal mehr weit entfernt hat von Toleranz, Vernunft,Offenheit und Versöhnu ng. Mit diesen Tugenden stattet Lessing viele seiner Protagonisten aus, allen voran Nathan,der als Jude erfahren musste,wie Christen sein Dorf niederbrannten, seine Frau und Kinder töteten. Dennoch gibt er sich nicht dem Hass hin, sondern nimmt sogar ein verwaistes Mädchen christlichen Glaubens bei sich auf. Auch bei antisemitischer Anfeindung reagiere er ruhig und vernünftig und agiere dadurch als Vorbild, so Toma.
Was wäre passiert, wenn Adolf Hitler „Nathan der Weise“ in seiner Landsberger Haftzeit gelesen hätte?
Nathan und seine berühmte Ringparabel als Weg zum friedlichen Miteinander der Religionen dieser Welt? Was wäre wohl gewesen,wenn Adolf Hitler während seiner Haft im Landsberger Gefängnis „Nathan der Weise“ gelesen statt diffusen antisemitischen Wahn in seinem Buch „Mein Kampf‘ niedergeschrieben hätte? Das sind Tomas Überlegungen. Die Ringparabel hat auch das auf einer Idee von Toma beruhende und in einer Schreinerei in Fuchstal entstandene Bühnenbild aufgegriffen – ein begehbarer Ring auf unterschiedlich hohen Stützen. So können die Protagonisten unterschiedliche Positionen zueinander einnehmen in diesem einfachen und dennoch symbolkräftigen Kreis vor der Klagemauer, der sowohl das Kreisen der Gedanken als auch die immer wiederkehrenden Muster in der Geschichte ausdrückt.
Wird es Christen,Juden und Moslems in Zukunft gelingen, in Frieden zusammenzuleben? Um diese Frage hat der Regisseur das Stück erweitert,doch die Antwort bleibt offen.
Das Nachdenken darüber begleiten einzig die Geigentöne von Wolfgang Moser. Auf zwei Stunden hat der Regisseur das Stück gekürzt, in dem Harald Dollinger den toleranten und großzügigen Juden Nathan spielen wird und Miriam Lichtenstern seine angenommene Tochter Recha. Beide sind typische Vertret Aufklärung,bei denen Verstand und Charakter mehr zählen als die Religionszugehörigkeit.
Matthias Bartels schlüpft in die Rolle des muslimischen Herrschers Sultan Saladin, der um Ausgleich bemüht ist. Diedke Moser spielt seine Schwester Sittah,eine emanzipierte Frau, der Frieden wichtiger ist als der Krieg zwischen den Religionen. Jonas Echterbruch als christlicher Tempelherr und Lebensretter von Recha und Götz Hofmann als machtgieriger Patriarch von Jerusalem,der das Christentum als einzig wahre Religion betrachtet, vertreten das Christentum.
Ebenso Florian Werner als Klosterbruder und Deja (Claudia Dlugosch), die im Haus von Nathan dessen Tochter Recha erzieht. Thoma s Bauer als mohammedanischer Bettelmönch ist ein Freund Nathans und wird gleichzeitig Schatzmeister des Sultans. So hat das Leben alle miteinander verwoben. Ob es ihnen gelingt, die Vernunft wa lten zu lassen und die Vorurtei le abzulegen? Theaterfreunde dürfen mit Spannung die Inszenierung mit Spielbeginn am Freitag, 12. Januar,erwarten.
Ein Klassiker im Stadttheater: landsberger bühne zeigt „Nathan der Weise“
Stand:09.01.2024, 09:16 Uhr
Von: Nathalie Schelle
Aktueller denn je: Die Inszenierung von Lessings „Nathan der Weise“ findet zum 60. Jubiläum der landsberger bühne statt. Hier zu sehen: Nathan (Harald Dollinger) und Daja (Claudia Dlugosch). © Schelle
Landsberg – Jerusalem um 1192: Nathan trifft am Morgen nach langer Reise wieder zuhause ein und findet seine Welt im Chaos. Mit Weisheit lenkt er das Schicksal aller Beteiligten und hinterlässt am Abend eine harmonische und tolerante Welt. „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing kommt zum 60. Jubiläum der landsberger bühne ins Stadttheater. Ein Vorbericht.
„Mich hat das Stück als utopisches Märchen immer schon interessiert“, schwärmt Regisseur Ioan Toma von Lessings Nathan. Anfang des letzten Jahres habe die landsberger bühne bei ihm angefragt, ob er das Stück für das Jubiläum inszenieren wolle. „Ich war sofort dazu bereit!“. Das Stück über einen Mann und die Frage nach der einzig wahren Religion habe den Regisseur fasziniert. „Das war alles noch vor dem 7. Oktober …“
Ins Jetzt geholt
An den Tag, an dem die Hamas Israel angriffen, erinnert sich Toma noch genau. „Als ich die Nachricht per Radio bekommen habe, kam bei den Proben gerade die Szene, in der Nathan berichtet, wie seine Familie von Christen umgebracht und verbrannt wurde und wie er dann den Christen einen unversöhnlichen Hass geschworen hat.“ Mit einem Mal wurde das Stück aktueller als je zuvor. „Aber dann kam die Vernunft und hat Nathan von diesem Weg abgebracht.“ Man habe spüren können, was Lessing vorgeschlagen hat, meint der Regisseur: „Er hat als Aufklärer die Vernunft als einzige Chance gesehen, um religiösen Hass zu überwinden.“ Leider sei es eine Utopie, ein Traum geblieben, „denn nach ihm kamen in Deutschland die Nazis und haben sein Stück verboten, und jetzt haben wir wieder solche Sorgen.“
Wo ist die Vernunft?
Aus den Gründen, die wir täglich in den Nachrichten erfahren und unter denen wir erdrückt werden, ist es hoch aktuell, meint der Regisseur. „Man fragt sich immer, wann die Vernunft kommt.“ Lessing habe das Stück in eine Zeit vor 800 Jahren gelegt, in der die Moslems offen waren – heute sei das in vielen Bereichen der muslimischen Kultur nicht mehr der Fall. „Deswegen wollen wir im Stück auch kurz die Frage andeuten, wie sich Religionen entwickeln.“ Das Bindeglied der drei großen Religionen Christentum, Judentum und Islam: die Klagemauer, die das ganze Stück, das zwei Stunden dauert, begleiten wird.
„Das Stück hat eine hohe Dynamik, denn es läuft an einem Tag ab“, erklärt der Regisseur. Ergänzt werde diese Energie durch die „ rhythmische und poetische Sprache“ der Dialoge. „So ähnlich wie mit Shakespeare-Reimen erzählen wir das Stück.“
Die ersten Proben für diesen Klassiker der Weltliteratur habe es im Spätsommer letzten Jahres gegeben, so Toma. Auch das musikalische Konzept für das Stück sei in dieser Zeit erarbeitet worden. Ein anspruchsvolles Stück, wie der Regisseur erklärt, wobei es bei den Proben einen großen Vorteil gegeben habe. „Das Stück besteht aus vielen kleinen Gruppen“. In den einzelnen Szenen spielen, außer am Schluss, nie mehr als drei Figuren mit, weswegen die landsberger bühne und der Regisseur separat proben „und das Ganze dann zusammenfügen“ konnten. Seit knapp zwei Monaten gebe es einen dichten Proben-Rhythmus, denn schon in drei Tagen findet die Premiere statt. Im Stadttheater probe die landsberger bühne seit kurz vor Weihnachten.
Aufführungen
Die Premiere von „Nathan der Weise“ findet am 12. Januar um 20 Uhr im Stadttheater statt. Weitere Aufführungen zur selben Uhrzeit sind am 13., 19., und 20., 26., und 27. Januar. Um 18 Uhr wird das Stück am 14. und 21. Januar aufgeführt. Alle Infos zu den Aufführungen gibt‘s unter stadttheater-landsberg.de oder unter landsberger-buehne.de.
12. Dezember 2023
Ioan Toma im Gespräch: Regisseur inszeniert „Nathan“ in Landsberg am Lech und wird en passant 70
Das vor 240 Jahren in Berlin uraufgeführte Ideendrama „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing ist keineswegs antiquiert, vielmehr – siehe Krieg in Nahost – leider hochaktuell. So ist die berühmte Ringparabel, publizistischer „Lichtschalter“ der Aufklärung, derzeit in einer Neuinszenierung von Regisseur Nuran David Calis am Nationaltheater Mannheim zu sehen. Im Januar wird das Stück am Stadttheater Landsberg zum 60-jährigen Bühnenjubiläum gezeigt. Die Inszenierung der landsberger bühne e.V. unter der Regie von Ioan Toma feiert ihre Premiere am 12. Januar 2024 – bereits am 12. Dezember 2023 feiert der siebenbürgische Theatermacher seinen 70. Geburtstag. Doppelter Anlass also für das nachfolgende Interview, das der Autor Hellmut Seiler mit Toma zu seinem neuen Theaterprojekt geführt hat.
Wann hast du den Entschluss gefasst, Lessings „Nathan der Weise“ zu inszenieren, und warum gerade dieses Stück?
Lessing, dem man ein erotisches Verhältnis zur Vernunft und ein vernünftiges zur Liebe nachsagt, schreibt über seinen „Nathan“, es sei nichts weniger als ein satirisches Stück, um den Kampfplatz mit Hohngelächter zu verlassen, und doch ein rührendes Stück. Goethe schreibt: „…hier sind ein paar anständige Menschen; und rings um sie die Sintflut.“ Ich habe mich schon vor Jahren mit diesem utopischen Märchen beschäftigt und sofort zugesagt, als die Landsberger Bühne mich gebeten hat, es zu ihrem 60-jährigen Bühnenjubiläum im Stadttheater zu inszenieren.
Vom geschichtlichen Hintergrund her ist es im Jahr 1187 angesiedelt, zur Zeit der Wiedereroberung Jerusalems durch die Muslime unter Sultan Saladin; was ja den Anlass bildete für den dritten der insgesamt sieben Kreuzzüge der christlichen Heere im „Morgenland“. Siehst du Parallelen zur Gegenwart, hat der Stoff noch Brisanz?
Der Stoff ist so brisant, geradezu explosiv, wie die jetzige Lage in und um Jerusalem. Die Realität ist erdrückend. Am 7. Oktober, auf dem Weg zur Probe, habe ich von dem entsetzlichen Massaker der Hamas an jüdischen Menschen erfahren, ein absoluter Zivilisationsbruch. Danach, bei der Probe, berichtet Nathan, wie in Gath die Christen alle Juden mit Weib und Kind ermordet hatten, dass auch seine Frau und seine Kinder, die im Haus seines Bruders Zuflucht gesucht hatten, allesamt verbrannten. Nathan spricht von seiner Verzweiflung und wie er der Christenheit unversöhnlichen Hass zugeschworen hat; doch dann, sagt er, kam die Vernunft und verdrängte den Hass. Kurz darauf ist er sogar bereit, ein verwaistes Mädchen, ein Christenkind, aufzunehmen und wie sein eigenes aufzuziehen.
Sultan Saladin ist – als oberster Vertreter der Muslime – recht widersprüchlich gezeichnet von Lessing: in Geldnot, aber verschlagen bereit, sich weiter zu verschulden; verschwenderisch, persönlich aber recht bescheiden lebend; und – anders als die heutigen Machthaber jener Religionszugehörigkeit im Nahen Osten – um Ausgleich bemüht. Worin bestehen aus deiner Sicht Ähnlichkeiten sowie Unterschiede zu heute?
Saladin und seine charmante weltoffene Schwester Sittah, die durchaus ein Wort mitzureden hat, werden von Lessing als entspannte aufgeklärte Muslime gezeichnet, sie fragen sich sogar ironisch, ob die Christen glauben, dass Gott der Schöpfer Mann und Frau so ausgestattet hätte, dass von Christen nur zu Christinnen die eheliche Liebe erlaubt und möglich wäre. Heute hat sich der radikale Islamismus leider weit von dieser Toleranz entfernt.
Hat diese, teils bestürzende, Aktualität des Dramas eure Inszenierung beeinflusst, ja mitbestimmt?
Nachdem Nathan mit seiner Ringparabel Saladin die Möglichkeit einer Welt, in der sich Christ, Jude und Moslem friedlich zusammenfinden, eröffnet, wird Saladin in unserer Inszenierung eine zusätzliche Frage stellen; Saladin fragt Nathan, was er wohl glaubt, wie die Muslime sich so in 1000 Jahren wohl verhalten werden? Die Antwort bleibt offen… Wir bekommen Zeit, zu den Tönen einer Geige die unser Stück begleitet, darüber nachzudenken. Leider erleben wir eine Welt, in der die Aufklärung, die Vernunft, für die sich Lessing so leidenschaftlich eingesetzt hat, noch in weiter Ferne liegt.
…was ja fatalerweise an Immanuel Kants Antwort auf die Frage: „Leben wir also in einem aufgeklärten Zeitalter? – Nein, aber in einem der Aufklärung.“ erinnert. Nur, dass diese Fragestellung samt nahezu diplomatischer Antwort 240 Jahre zurückliegt – wie auch die Uraufführung von „Nathan der Weise“ in Berlin. Nun aber zur nächsten Frage: Der Text steckt – bei allem Ernst des Themas – voller witziger, überraschender Aussagen. Welches ist dein Lieblingszitat daraus?
Der Tempelherr unterstellt Nathan, dass er ein Kind, das er den Christen abgejagt hat, ihm, dem Christen, nicht zur Frau geben möchte. Er gesteht, dass er ihm deswegen „kurz und gut das Messer an die Kehle setzen wollte.“ Darauf Nathan: „Kurz und gut. Und gut? Wo steckt das Gute?“
Hast du dir mit dieser Inszenierung selber ein Geschenk gemacht – zu deinem 70., zu dem ich übrigens herzlich gratuliere?
Lessing ist im Alter von 52 Jahren, kurz nachdem er seinen Nathan geschrieben hat, gestorben. Da sind wir schon etwas länger unterwegs. Es ist tatsächlich ein Geschenk, ihn und seine Gedanken im Theater weiterleben zu lassen.
Sag uns ein Wort über deine Truppe, die Akteure – und den Aufführungsort.
Das Stadttheater Landsberg gibt es seit 1878, es zählt zu den ältesten Bürgertheatern mit regelmäßigem Spielbetrieb. Meine erste Zusammenarbeit mit der Landsberger Bühne, die mit Sicherheit ein Geschenk für diese Stadt ist, war 1998 Nicolo Machiavellis Theaterstück „Mandragola“, wo die christliche Moral ebenfalls schwer hinterfragt wird. Besonders schön ist es jetzt, mit einigen zu arbeiten, die damals auch schon dabei waren.
Wann ist Premiere – und wie sieht der weitere Spielplan aus?
Am 12. Januar 2024 ist Premiere, Spieltermine usw. siehe Plakat.
Welche weiteren Projekte treiben dich um? Du bist nun nicht gerade einer, der sich „einfach so“ zur Ruhe setzt.
Am 29. April 2024 wird in den Antikensammlungen München am Königsplatz Platons „Gastmahl“ Premiere haben und fünf Mal die Woche bis Ende Mai zu sehen sein. Was man schon immer über Eros wissen wollte, kann man bei einem gemeinsamen Umtrunk, von prominenten Männern der Antike und der wunderbaren Diotima, erfahren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Nathan der Weise am Stadttheater Landsberg (Schlossergasse 381, 86899 Landsberg am Lech; Webseite: https://stadttheater-landsberg.de/): Premiere am Freitag, den 12. Januar 2024, 20.00 Uhr; weitere Vorstellungen am 13., 19., 20., 26. und 27. Januar 2024, jeweils um 20.00 Uhr; Abendkasse jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn; E-Mail-Adresse des Theaterbüros: Kartenverkauf[ät]landsberg.de.
Stationen einer eindrucksvollen Regie-Karriere
Theatermacher aus Kronstadt: Ioan C. Toma 70
Ioan C. Toma
Geboren am 12. Dezember 1953 in Kronstadt; Kindergarten in einer gewesenen Freimaurerloge; Honterusschule; Sportgymnasium; Nationalmannschaft im Modernen Fünfkampf; Brukenthal-Gymnasium
1972-76 Theaterstudium in Bukarest; 1976 Ausreise
Lebt mit der aus Schäßburg stammenden Kostümbildnerin Bonnie Tillemann, die bei vielen seiner Projekte für die Ausstattung verantwortlich zeichnet, im Fuchstal bei Landsberg am Lech
Feste Engagements: 1978-81 Stadttheater Bern; 1981-84 Theater der Stadt Essen; 1986-92 Haus-Regisseur am Landestheater Linz; 1992-95 Oberspielleiter am Landestheater St. Gallen; danach Freie Regietätigkeit u.a. am TAT in Frankfurt am Main, Stadttheater Klagenfurt, Gasteig, Münchner Volkstheater, Prinzregententheater, Lustspielhaus, Lach- und Schieß-Gesellschaft, Theater des Kindes/Linz, (u.a. mit Stücken seiner Tochter Luise Toma), Tiroler Landestheater, Schauspielhaus Salzburg, Theater Phönix/Linz, Theater an der Rott, Stadttheater Landsberg; Sommerspiele Perchtoldsdorf/Wien: Cervantes „Don Quijote“, Goethe „Faust I&II“, Shakespeare „Hamlet“ , Aristophanes „Lysistrate“; Reithalle München: Platon „Die Akte Sokrates“, Goethe „Satyros“, „Faust die Frauen und das Wasser“ und das eigene Projekt „Ballade der Mädchen vergangener Zeit“ u.a. mit Texten seiner Mutter Bettina Schuller; Theaterspiele Glyptothek/ München: Sophokles „König Ödipus“, Shakespeare „Der Sturm“.
Weitere Inszenierungen: u.a. Jarry „Ubu Roi“, Kornfeld „Jud Süß“, Albee „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, Büchner „Leonce und Lena“, Goldoni „Krach in Chiozza“, Gozzi „Turandot“, Molière „Der Bürger als Edelmann“, Dorst „Merlin“, Canetti „Die Befristeten“, Valentin „Orchesterprobe“ und „Ritter Unkenstein“, Lorca „Yerma“, Ibsen „Gespenster“, Goethe „Götz von Berlichingen“ und „Faust“, Barlow „Der Messias“, Shakespeare „Macbeth“ und „Romeo und Julia“
Bearbeitungen u.a. von: Gogol „Tagebuch eines Wahnsinnigen“, Kafka „Beschreibung eines Kampfes“ (Uraufführung 1987, Akademie der bildenden Künste München), Caroll „Alice im Wunderland“, Baricco „Oceano Mare“, Cervantes „Don Quijote“, Platon „Akte Sokrates“, Goethe „Faust die Frauen und das Wasser“, Shakespeare „Die Achse des Bösen – Richard & Macbeth“ und „Mit der Vespa durch Shakespeares Italien“
„Tomas Arbeiten stehen für ein vitales, sinnliches, virtuoses Theatererleben, für phantasievolle, intelligente Bilder, für eine kreative Philosophie, die den Widrigkeiten des Lebens mit einem oft skurrilen, überzeichnenden, ironischen und geistvollen Humor begegnet. Freude an der Improvisation und am Experiment motivieren den Regisseur, dem das Engagement für die freie Theaterszene, das Kabarett eingeschlossen, als wichtiger Schwerpunkt neben der Arbeit an etablierten Häusern gilt.“ (Quelle: Theaterlexikon der Schweiz) Besonderes Highlight: PROMENADE 39 Landestheater Linz 1803-2003:
„Ein Ereignis von besonderer Bedeutung ging im April 1989 in Szene: die österreichische Erstaufführung von Paul Kornfelds ‚Jud Süß‘. Ioan Toma als ungemein bildmächtiger und fantasievoller Regisseur besorgte eine erstklassige Inszenierung, Günter Gräfenberg brillierte in der Titelrolle – diese künstlerische Partnerschaft führte noch zu herausragenden Theatererlebnissen: Alfred Jarrys „König Ubu“ (November 1988), die in Spiel- und Raumkonzeption grandiose Umsetzung von Gogols ‚Tagebuch eines Wahnsinnigen‘ (November 1989) und wohl als geistreichstes Toma-Projekt die Uraufführung von ‚Sokrates und die Hebammenkunst‘ (März 1991 in den Kammerspielen), Tomas Einfühlungsvermögen und Theaterpranke für die Commedia dell`Arte vollendete sich schließlich in dem Molière-Projekt ‚Commedia Commedia‘ (Mai 1991, Kammerspiele) und einer hinreißenden Inszenierung von Goldonis ‚Krach in Chiozza‘ (Jänne
Quelle:https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/24437-ioan-toma-im-gespraech-regisseur.html